Clever disponieren dank Telematik

Bei Speditionen gehört eine zuverlässige Telematiklösung für Zugfahrzeug und Trailer schon zum guten Ton. Erhebliche Potenziale lauern im Zusammenspiel mit anderen IT-Anwendungen und zusätzlich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Und wieder gefangen im Lotter Kreuz! Der Sattelzug steckt fest, und die Uhr läuft unbarmherzig weiter. Es ist 11 Uhr und mehr als fraglich, ob der Fahrer seine zwölf Paletten Zulieferteile beim Maschinenbauer in Osnabrück wie vereinbart bis zur Mittagspause zustellen kann. Reißt das Zeitfenster, blüht dem Truck ein unproduktiver Stillstand. Die Logistikabteilung beim Empfänger öffnet die Rolltore erst am Nachmittag wieder. Gut möglich, dass die Lagermitarbeiter dann erst andere Lkw abfertigen, die pünktlich eintreffen.
Wartezeiten sind unpopulär. Die Räder müssen sich drehen, damit das Unternehmen mit dem Truck Geld verdienen kann. Wie gut, dass die anliefernde Spedition mit Sitz in Kassel nicht von gestern ist. Der Disponent kennt die Stau-Hotspots – ob nun in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und anderen Teilen der Republik. Ein Blick ins Telematiksystem genügt, und er sieht den 14 Kilometer langen Stau am Autobahnkreuz A1/A30. Dank Echtzeitdaten weiß der Speditionskaufmann, dass sich die Anlieferung auf voraussichtlich 12:27 Uhr verspätet. Das ist die neue errechnete voraussichtliche Ankunftszeit (Estimated Time of Arrival). Sie fällt mitten in die Mittagspause des Maschinenbauers. Nun heißt es, umdisponieren: Schnell loggt sich der Disponent ins Zeitfenstermanagementsystem des Empfängers ein und bucht einen neuen Slot um 16 Uhr. Die Zeit bis dahin wird nicht mit Warten vergeudet, sondern sinnvoll überbrückt: Der Disponent weist seinen Fahrer via Messaging-Dienst an, die Entladestellen in Versmold und Borgholzhausen vorzuziehen, die eigentlich erst nach dem Maschinenbauer an der Reihe gewesen wären. Osnabrück kann warten. Der Fahrer bestätigt den geänderten Tourverlauf.
Umdisponieren leicht gemacht
Dank moderner IT-Systeme ist spontanes Umdisponieren keine große Sache mehr. Die Speditionsmitarbeiter haben – den Fortschritten bei der Digitalisierung im Fuhrparkmanagement sei Dank – alle dazu erforderlichen Informationen in Echtzeit verfügbar. Sie sehen auf einen Blick, wo sich die Fahrzeuge befinden und was sie geladen haben. Eine Vielzahl an weiteren Daten ist für ihre Kollegen aus dem Fuhrparkmanagement relevant: Sie können auf Dashboards verfolgen, wie es um den Verschleiß der Bremsen und den Reifendruck bestellt ist oder wann die nächste Inspektion ruft. Hier greifen sie auf die Daten aus der FMS-Schnittstelle im Fahrzeug zurück. Die Fuhrparkleiter können per Fernzugriff außerdem bequem die Daten aus dem digitalen Tachografen beziehungsweise der Fahrerkarten auswerten und damit ihren gesetzlichen Anforderungen nachkommen. Tacho Remote Download nennt sich das Ganze.
Die Fuhrparkleiter erhalten ferner Alarmmeldungen, wenn Dinge aus dem Ruder laufen – also sich zum Beispiel eine Panne am Trailer oder der Kältemaschine anbahnt. Diese Art der proaktiven Überwachung nennt sich Proactive Monitoring. Diese Analyse der Daten kann im TrailerConnect®-Portal erfolgen. Das System erkennt auftretende Probleme frühzeitig, der Disponent wird frühzeitig informiert und gibt konkrete Handlungsempfehlungen. Serviceeinsätze können proaktiv geplant und unerwartete Ausfallzeiten werden vermieden.
Es ist kaum vorstellbar, dass Disponenten früher nur mit Telefon, Bleistift und Block gearbeitet haben. Noch schwerer vorstellbar ist es, dass es offenbar noch immer Fuhrparks gibt, die auf die modernen Annehmlichkeiten und digitalen Helfer im Alltag, also auf Unterstützung von Telematiksystemen oder Transport-Management-Systemen (TMS), verzichten. Selbst für kleine Fuhrparks oder bei immer den gleichen Touren ergeben sich durch die Nutzung der IT-Vorteile.
War lange Zeit das Zugfahrzeug Dreh- und Angelpunkt für Telematiklösungen, richtet sich der Fokus immer mehr auf die gezogene Einheit. Dort sind die oftmals millionenschweren Werte der Auftraggeber geladen. Außerdem bildet der Trailer oder Container in vielen Fällen keine feste Einheit mit der Zugmaschine. Daher ist es wichtig, die gezogene unabhängig von der ziehenden Einheit orten zu können. Im Kombinierten Verkehr zum Beispiel wechselt der Trailer permanent das Zugfahrzeug. Im Rahmen von Traileryard-Konzepten ist der Auflieger das mobile Lager, der die meiste Zeit abgesattelt auf dem Speditionshof steht. Eine moderne Disposition beziehungsweise ein modernes Fuhrparkmanagement ist deshalb neben der Zugmaschine auch auf den Auflieger ausgerichtet. Entsprechend stattet Schmitz Cargobull serienmäßig alle Neufahrzeuge mit der TrailerConnect®-Telematik aus. Über das TrailerConnect®-Portal oder die beUpToDate App haben Disponenten und Fuhrparkmanager damit jederzeit Zugriff auf alle relevanten Daten. Über diese Anwendungen lassen sich Touren planen, verfolgen und jederzeit eingreifen, wenn notwendig.
Jederzeit eingreifen bei Abweichungen
Von hoher Bedeutung sind die Informationen aus dem Innenleben des Trailers vor allem bei temperaturgeführten Pharma- oder Lebensmitteltransporten. Das Kühlgerät ist keine Black Box, sondern komplett gläsern und liefert ständig die aktuellen Temperaturdaten. Sollte es zu Abweichungen von den vorgeschriebenen Werten kommen, kann der Disponent jederzeit eingreifen. Denn jede Abweichung birgt Risiken, weil Branchenstandards oder gesetzliche Auflagen nicht eingehalten werden oder die Ware zu verderben beziehungsweise unbrauchbar zu werden droht. Als wäre das nicht schon schlimm genug, droht obendrein Ärger mit dem Kunden.
So unverzichtbar die Informationen des Aufliegers, der Wechselbrücke oder des Containers sind: Es sind nicht die einzigen Daten, die für Disponenten und Fuhrparkleiter relevant sind. Sie verfolgen mit weiteren Systemen die Informationen zum Fahrzeug, zur Ladung und zur Tourenplanung. Sie schauen, welche Aufträge im TMS eingehen, suchen wahlweise nach interessanten Ladungen oder erforderlichem Laderaum in Frachtenbörsen und kommunizieren mit ihren Frachtführern oder Kooperationsnetzwerken in diversen weiteren Portalen. Weil sich Standards für Schnittstellen etabliert haben, lassen sich die verschiedenen Anwendungen inzwischen gut kombinieren. Denn wer parallele Insellösungen betreibt, verzichtet auf Synergien und nimmt Ineffizienzen sowie Fehlergefahren durch mehrfaches paralleles Erfassen in Kauf. Immer mehr IT-Anbieter bieten deshalb Lösungen an, die verschiedene Anwendungen integrieren. Im Idealfall hat der Disponent also mit einer zentralen IT-Plattform alle daran angebundenen Portale im Blick. Statt viele Einzelanwendungen zu überwachen, orchestriert er das Gesamtgeschehen. Das alles kann das TrailerConnect® System als zentrale Plattform für ein effizientes Flottenmanagement. Hier können alle Daten des Fuhrparks – herstellerübergreifend – auf einer Plattform dargestellt werden, was eine effiziente Datensteuerung, eine Optimierung der Arbeitsabläufe und eine hohe Verfügbarkeit und Auslastung der Trailerflotte ermöglicht.
Daten teilen, Nutzen vergrößern
Fließen viele Daten auf einer Plattform zusammen, ergeben sich erhebliche Synergien nicht nur für das einzelne Unternehmen, sondern für eine Vielzahl an Akteuren, die Zugriff auf diese Daten haben. Selbstverständlich muss aus Gründen des Datenschutzes und um Missbrauch vorzubeugen, vorher festgelegt werden, welches Unternehmen auf welche Daten zugreifen darf und dafür welche Berechtigungen erhält. Werden Datensilos aufgelöst, sieht man nicht mehr nur die Tourenverläufe der eigenen Flotte, sondern auch die Bewegungen und Aufträge zum Beispiel der anderen Mitglieder einer Kooperation. Mit dem TrailerConnect® Data Management Center kann eine zentrale Integration verschiedener Systeme erfolgen. Es erfolgt die Konsolidierung vieler Telematiksysteme und-daten auf einer Plattform. Die Weitergabe der Daten erfolgt individuell und sicher – für maximale Kontrolle und Transparenz. Mit dem ergänzenden TrailerConnect® TourTrack werden Fahrten auftragsbezogen verfolgt und Transportdaten geteilt. Die gezielte und selektierte Datenweitergabe für jede Tour, Tour-basierte Echtzeitüberwachung inklusive voraussichtlicher Ankunftszeit und automatischer Erstellung auftragsbezogener Temperaturberichte schaffen echte Transparenz entlang der Supply Chain.
Auch kann das Teilen von Daten ein idealer Ausgangspunkt für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) im Flottenmanagement sein. Sie kann den Fahrzeugeinsatz, Tourenverläufe, Ladestopps und Ladungssuchen analysieren und aus diesem Wissen gezielte Vorschläge für Matchings machen.
Steuert eine Spedition zum Beispiel dreimal die Woche Osnabrück, Versmold und Borgholzhausen an – wie der staugeplagte Fahrer im Einstieg –, weiß die KI, dass dort regelmäßig ein Trailer frei wird. Sie kann aus einer Vielzahl an Daten dem Disponenten passgenaue Vorschläge für geeignete Rückladungen zum Beispiel im Landkreis Gütersloh machen. Wer die Vorteile der Digitalisierung erkennt, steigert seine Chancen im hart umkämpften Transportmarkt. Unternehmen werden effizienter, schneller und transparenter und von ihren Kunden ganz anders wahrgenommen. Eine Spedition, die mit modernen IT-Tools arbeitet, ist jederzeit in der Lage, Auskunft über den Status einer Sendung zu geben oder mögliche Beschädigungen sofort zu melden. Der Fahrer kann mit dem Tablet oder Smartphone, auf dem die Telematikanwendung läuft, Bilder von möglichen defekten Packstücken machen. Mit der digitalen Unterschrift des Empfängers kann er nach erfolgreicher Zustellung sofort einen Ablieferbeleg erstellen. Der Kunde muss diese Daten im Übrigen gar nicht erst aktiv einfordern, sondern kann – ist er ans System angebunden und hat er die entsprechende Berechtigung – jederzeit selbst darauf zugreifen. Vorteile ergeben sich auch für die Fahrer. Ihnen wird der Druck genommen, weil die Disposition mit KI-Unterstützung ihnen passende Touren zuweisen können, die im Einklang mit den Lenkzeiten stehen. Sie können ihre Fahrer auch gezielt in ökonomischer Fahrweise schulen, stellen Fuhrparkmanager ebenfalls über die Telematik Auffälligkeiten beim Verschleiß oder Verbrauch fest.
Speditionen profitieren in mehrfacher Hinsicht
In mehrfacher Hinsicht profitiert auch die Unternehmerin oder der Unternehmer von der Telematiklösung: Die Ladeeinheiten werden bestmöglich ausgelastet, was Leerfahrten erheblich reduziert. Weniger Fahrten bedeuten weniger Verbrauch und einen geringeren CO2-Ausstoß. Die Ausfallgefahr wird reduziert, weil zu niedriger Reifendruck, zu heiße Bremsen oder ein drohender Ausfall eines Kühlaggregats sofort einen Alarm auslösen. Bevor das Fahrzeug liegenbleibt und für teures Geld abgeschleppt werden muss, kann der Fuhrparkmanager das Fahrzeug zur nächstgelegenen Werkstatt lotsen, die selbstverständlich vom System gleich empfohlen und mit ihren Öffnungszeiten angezeigt wird.
Einen Stau auflösen oder Einfluss aufs Verkehrsgeschehen nehmen, kann aber auch das beste Telematiksystem nur bedingt. Das integrierte, selbstverständlich für die Bedürfnisse von Lkw-Nutzern optimierte Navigationssystem kann dem Fahrer Empfehlungen zur Umfahrung machen. Doch oft ist es zur Ausfahrt dann schon zu spät. Oder eine Vielzahl an anderen Verkehrsteilnehmern bekommt ebenfalls von ihren Systemen den Tipp, aufs nachgelagerte Straßennetz auszuweichen. Da heißt es dann besser: Stehen bleiben und auf neue Anweisungen des Disponenten warten.