Ein kluger Kühler unter Strom

Ein kluger Kühler unter Strom

Seit fast zwei Jahren nutzt die Kühlspedition STI Deutschland einen vollelektrischen Trailer von Schmitz Cargobull. Damit spart sie bis zu fünf Prozent Treibstoff und verbessert ihren CO2-Fußabdruck.

„Uns hat dieses Trailer-Konzept überzeugt. Die Zukunft ist elektrisch."

Wenn der auffällige STI-Kühlsattelzug von Rheinberg bei Duisburg nach Bingen aufbricht, erkennen nur Kenner sein besonderes Potenzial. Am Haken der Standard-Sattelzugmaschine hängt nämlich kein Standard-Kühlauflieger. Schmitz Cargobull hat den Trailer für STI Deutschland mit elektrisch betriebener Kältemaschine, elektrischer Generatorachse und Speicherbatterie bestückt und so in einen vollelektrischen Kühlsattelkoffer verwandelt. Der pendelt seit Monaten auf der rund 250-km-Strecke zwischen zwei Kühlhäusern, liefert im Multitemperaturbereich frische, gekühlte sowie tiefgekühlte Lebensmittel und verbraucht dabei keinen Tropfen Diesel. Deshalb bekommt er auch freie Einfahrt in Zero-Emission-Zonen und tritt immer äußerst leise auf.

„Uns hat dieses Trailer-Konzept überzeugt. Die Zukunft ist elektrisch. Wir wollten den IAA-Prototypen aus 2018 gemeinsam mit Schmitz Cargobull auf die Straße bringen und zur Serienreife führen“, sagt Dražan Malesevic, Geschäftsführer der STI (Deutschland) GmbH in Duisburg. Sein Unternehmen ist ein Tochterunternehmen der STI Freight Management GmbH und organisiert international überwiegend temperaturgeführte Transporte. Lebensmittel für Fast-Food-Ketten oder Arzneimittel für Pharmaunternehmen zählen zu den vordergründig transportierten Waren. Deshalb erfüllt die Kühlspedition den international anerkannten Qualitätsstandard IFS (International Featured Standard) sowie die hohen Anforderungen für den Arzneimitteltransport nach GDP (Good Distribution Practices).

Als zusätzliches Standbein bedient STI die Kreuzfahrtindustrie und übernimmt neben europaweiten Landverkehren auch internationale Luft- und Seefracht sowie Import- und Exportverzollungen. Seit 40 Jahren am Markt setzt STI Freight Management in Europa mit über 280 Mitarbeitern in acht Ländern rund 355 Mio. Euro im Jahr um. Zu den rund 340.000 Landtransporten im Jahr gesellen sich gut 7.000 Luft- und Seefrachten sowie knapp 35.000 Verzollungen. STI besitzt selbst keine eigene Fahrzeugflotte, sondern arbeitet im Transportgeschäft eng mit zertifizierten Subunternehmen zusammen. Wegen den gestiegenen Qualitätsanforderungen in der Branche haben die Auflieger bei STI Deutschland dennoch in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, werden deshalb selbst geleast und an die Transporteure weitervermietet. Damit stellt STI sicher, dass für ihre Geschäfte nur moderne Kühlkoffer mit Doppelverdampfer, Doppelstockbeladung, drei Temperaturzonen, Door-Lock, Geofencing und Telematik-Anbindung zum Einsatz kommen, die das Ausfallrisiko minimieren.


„Wir disponieren bei unseren Partnern heute insgesamt 200 eigene Kühlkoffer, von denen fast die Hälfte den blauen Elefanten tragen. Mit den Produkten von Schmitz Cargobull sind wir äußerst zufrieden und konnten bereits eigene Qualitätsstandards definieren, die sogar später in Vreden in die Serien übernommen wurden“, berichtet Malesevic stolz. Als eines der ersten Unternehmen habe STI Deutschland damals auch das selbst entwickelte Kühlaggregat S.CU von Schmitz Cargobull gekauft und zum Erfolg verholfen. In 2023 sollen weitere 30 Kühlsattelkoffer samt S.CU-Kühlmaschine und TrailerConnect-Telematik des Herstellers an-geschafft werden. Nicht auszuschließen, dass darunter auch einige vollelektrische Kühlsattelkoffer sein werden.
„Der elektrisch betriebene Trailer hat sich bewährt. Damit gelingt es uns, schädliches Klimagas einzusparen“, versichert STI-Chef Malesevic. Das Thema Nachhaltigkeit steht für ihn mit im Vordergrund. Dabei beruht seine Nachhaltigkeitsstrategie bei der CO2-Senkung auf den drei Säulen „Vermeiden, Reduzieren, Ausgleichen“. Für die Umsetzung sucht der 49-Jährige den Schulterschluss mit der Fahrzeugindustrie. „Wir müssen enger mit den Fahrzeugherstellern zusammenarbeiten und ihnen Erfahrungswerte aus der Praxis liefern. Nur so können sie die Produkte besser, nachhaltiger und serienreif machen“, betont der gebürtige Hohenloher. Der studierte Betriebswirt war sich des Risikos bewusst, als er dem Einsatz des vollelektrischen Kühlkoffers im Prototypstadium zustimmte. Auf der anderen Seite wollte der heutige Niederrheiner dem Trailerhersteller die notwendigen Daten für die sukzessive Optimierung des E-Kühlers liefern und auch selbst erfahren, wie praxistauglich derartige E-Trailer heute sind. Zumindest bei der Zuladung gibt es keine Einbußen. Der Nutzlastverlust durch die komplexe E-Technik ist mit weniger als 100 Kilogramm marginal und fällt im wahrsten Sinne des Wortes kaum ins Gewicht.

Ausgestattet mit elektrischem Kühlaggregat S.CUe samt integrierter Leistungselektronik, einer elektrifizierten Schmitz Cargobull-Trailerachse als stromliefernder Generator und Batteriespeicher am Stützwindwerk rollt der S.KOe COOL SMART seit August 2021 täglich zwischen zwei Kühllagern im Hub-to-Hub-Verkehr und hat inzwischen rund 150.000 Kilometer ohne nennenswerte Störungen abgespult. Das Kühlaggregat erlaubt ein emissionsfreies Kühlen oder Heizen der Ladung und besitzt einen Leistungsbedarf von durchschnittlich 7,5 kW. Es wird während der Fahrt von der Hochvoltbatterie mit Strom versorgt. Bei einer Kapazität von zirka 32 kWh reicht ihre Energie für maximal 4,5 Stunden Laufzeit der Kühlmaschine aus. Das Nachladen des Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus erfolgt unterwegs ab Tempo 60 km/h per Generatorachse mit 22 kW Leistung und durch Rekuperation beim Bremsen. Zusätzlich kann das Kühlaggregat während der Standzeiten beim Be- und Entladen über ein CEE-Stecker an das Starkstromnetz angeschlossen und betrieben werden. Das lädt gleichzeitig die Speicherbatterie mit nach. Serienmäßig ist im Fahrzeug die Schmitz Cargobull TrailerConnect-Telematik integriert, die den Ladezustand der Batterie, die verbleibende Reichweite sowie die nötige Ladedauer an das Telematik-Portal übermittelt.
Das Resultat nach fast zweijähriger Laufzeit kann sich sehen lassen: Die Einsparungen an Diesel für die Kältemaschine am Auflieger betragen im Dauerbetrieb je nach Jahreszeit und Außentemperatur etwa 2,5 Liter und mehr. Dem gegenüber hat der gesamte Kühlsattelzug wegen der Generatorachse nur rund 0,5 bis 1,0 Liter mehr Diesel auf 100 Kilometer verbraucht – abhängig ob im Frische- oder im Multi-temperaturbetrieb gefahren wurde. Unterm Strich kann STI eine Nettoeinsparungen von mindestens 1,5 Liter Diesel pro Stunde verbuchen, was am Ende eine Einsparung für den gesamten Lastzug von fast fünf Prozent bedeutet und in gleichem Umfang den CO2-Fußabdruck verbessert. Die Stromkosten für das kabelgebundene Nachladen der Batterie sind dabei allerdings nicht berücksichtigt. 


„Im Hub-to-Hub-Verkehr lässt sich der elektrifizierte Trailer ideal einsetzen. Dass in der Testphase ein verschmutzter EBS-Anschluss für Fehlermeldungen sorgte, der Ladestatus der Batterie einmal nicht korrekt angezeigt wurde oder die Batterie ersetzt werden musste – geschenkt. Solche Mängel hat Schmitz Cargobull fix in den Griff bekommen und durch schnelle Reaktionszeiten geglänzt“, untermauert Malesevic. Auch die Fahrer freuen sich. In den Fahrpausen lärmt im Nacken keine dieselbetriebene Kühlmaschine mehr, und der Dieseldiebstahl ist passé. Nur für den freien Dispo-Einsatz im internationalen Fernverkehr scheint STI noch zu früh dran zu sein. Dafür fehlt es noch an Lademöglichkeiten unterwegs und bei den Verladern. Zusätzlich wäre hierfür eine Batteriekapazität von 15 Stunden autarke Kühlung im Standbetrieb für STI wünschenswert.
Ganz so weit ist Schmitz Cargobull mit dem E-Trailer noch nicht. Aber die Techniker haben bereits der Leistungselektronik im Serienmodell, das ab Sommer in den Markt kommt, ein Software-Update verpasst. Das soll die Zuverlässigkeit und Dieseleinsparung weiter erhöhen. Ein längerer Standbetrieb wäre nur mit größeren und schwereren Batterien möglich, was die Nutzlast stark einschränken würde.

Den Schritt in diese Richtung will STI aber spätestens Ende 2023 wagen und mit Hilfe von Fördermitteln zehn Brennstoffzellen-Lkw kaufen. Mit E-Trailern von Schmitz Cargobull im Schlepp sollen sie über den Pendelverkehr hinaus im Fernverkehr zum Einsatz kommen und nicht nur Diesel, sondern auch Klimagas in größerem Stil einsparen. In der Kombination aus alternativ angetriebener Sattelzugmaschine und elektrischen Kühlkoffer sieht Dražan Malesevic die Zukunft seines Unternehmens. Läuft alles nach Plan will der STI Deutschland-Chef seinen Fuhrpark schrittweise bis 2028 komplett auf die lokal emissionsfreien E-Trailer von Schmitz Cargobull umstellen